KI-Wochenpost

KI Wochenpost 2024-17

Quelle: Youtube/TCLtv+ STUDIOS

In quasi letzter Minute ist der Termin zum ersten Verhandlungstag im Prozess gegen Laion vor dem Landgericht Hamburg abgesagt worden (der Fotorat hatte im Vorfeld auf die Bedeutung des Verfahrens hingewiesen). Der Laion-Anwalt teilte mit, er sei verhindert und beantragte eine Vertagung. Nun will man sich am 11.07.2024 vor dem Richter treffen. Wir werden beizeiten noch einmal daran erinnern.


„KI der nächsten Generation.
Jetzt in Photoshop.“

Erzeuge verblüffend realistische Bilder mit neuen Features für generative KI und der bisher fortschrittlichsten Version von „Generatives Füllen“. Jetzt in Photoshop (Beta) verfügbar. In jedem Abo mit Photoshop enthalten.

Adobe

So röhrt der Platzhirsch im Bemühen, zur branchenfremden Konkurrenz von Midjourney, Dall-E und Co. aufzuschließen. In der neuesten Version hat das zugrundeliegende „Firefly 3“ Modell nun auch Möglichkeiten, Bild- und Stil-Vorlagen in den Generationsprozess mit einzubeziehen. Die Grenzen zwischen klassischer Pixel-basierter Bearbeitung realer Fotos und dem Hinzudichten per generativer KI verwischen damit wieder ein Stückchen mehr.

Noch ist das ganze nur in der Beta-Version von Photoshop oder auf der Firefly-Website auszuprobieren, im Jahresverlauf soll aber ein Vollrelease von Photoshop erscheinen, das Adobe schon als eines der bedeutendsten Updates promoted. Meine ersten Versuche lieferten eher durchwachsene Ergebnisse, aber das liegt vermutlich an meinen Motiv-Versuchen abseits vom Mainstream (Bären im Nadelstreifenanzug und sowas). Und da alle Generatoren schwächeln, je mehr sie sich von den vergleichsweise kleinen Inseln der Trainingsmaterials im Ozean der denkbaren Bilder entfernen, ist Adobe prinzipiell im Nachteil, weil es (zumindest eigenen Angaben nach) nicht aus den Milliarden rechtlich umstrittenen Internet-Beutestücken saugt, sondern lizensierten Content verwendet, wie die eigene Stock-Library.

Nicht ganz klar ist mir nach den Ankündigungen, ob auch die kürzlich angeteaserten Video-Generatoren (die ebenfalls mit Firefly in Verbindung stehen) in näherer Zukunft den Produktstatus erreichen werden. In dem Bereich würde Adobe offensichtlich auf Konkurrenz wie Sora zielen.


Es ist ganz interessant, sich ein paar Gedanken zu machen, wer denn wohl in Zukunft diese Generatoren einsetzen wird. Die Hersteller sprechen ja gerne von „den Kreativen“, und wir machen uns Sorgen über einen Verdrängungswettbewerb bei bislang klassisch arbeitenden BildautorInnen. Vermutlich werden aber diese Tools auch ganz neue Player hervorbringen, wenn die Bewertung von Preis/Leistung-Verhältnissen unter einen ganz neuen Blickwinkel stattfindet.

Ein Gänsehaut erzeugender Vorbote dieser neuen Content-Welt könnte dieser Trailer von TCL sein für eine offenbar vollständig generierte Liebes-Schmotzette namens „Next Stop Paris“

Quelle: Youtube/TCLtv+ STUDIOS

Dieses Video, in dem generische sich Verliebende durch sowas wie Paris taumeln (es soll ein Stable-Diffusion-Modell benutzt worden sein), ist so mies gemacht, dass man kaum glauben kann, dass das „Studio“ das ernst meint. Aber: TCL ist ein beachtlich großer (75.000 Mitarbeiter) chinesischer Hersteller von Haushaltsgeräten und Unterhaltungselektronik und vermutlich einer der größten Fabrikanten von Flachbildschirmen. Letztes Jahr wurde die Firma „offizieller Partner der deutschen Männer-Fußballnationalmannschaft“.

Solche Smart-TV sind ja längst keine klassischen Wiedergabegeräte mehr sondern bieten auch dem Hersteller jede Menge Möglichkeiten, seinem Kunden eigenen Content über Menüleisten und eingeblendete Knöpfchen darzubieten. Video-Generatoren könnten bald „gut genug“ sein, um Spartenkanäle wie romantisches Bügelfernsehen in Endlosschleife zu bestücken, die vielleicht ein Verkaufsargument für die ansonsten weitgehend austauschbare Flachbildware sein könnte und natürlich jede Menge Möglichkeiten eröffnet, in diesen Endlos-Stream individualisierte Werbung einzublenden.

Wer tiefer in das Thema einsteigen möchte, lese z.B. dies hier

https://www.404media.co/email/b58c3b61-d77d-434e-ba64-645e5524f799/

Hinter den Kulissen laufen sich schon diverse Firmen warm, um den möglichst geschmeidigen Weg ins Hirn des Konsumenten zu bahnen. Wurl preist seine Dienste mit dieser pseudo-neurowissenschaftlichen Grafik an, die den direkten Zugang zur Amygdala zeigen soll, wo beim Betrachter der Generate unmittelbar Emotionen geweckt werden sollen.

Quelle: wurl.com


Findige Geschäftsmodell stricken sich auch sonst um KI-generierte Werbung. So bietet https://www.arcads.ai eine reichhaltige Auswahl von KI-Schauspielern (offenbar basierend auf linzenzierten Videoschnipseln, die für diesen Zweck aufgenommen wurden), die nun beliebiges Zeug anpreisen können. Insbesondere Social-Media-Clips, deren scheinbar spontane Unfertigkeit besonders authentisch wirken. Hier preist eine synthetische Influencerin neue Methoden zum Kampf gegen Körpergeruch an:

https://twitter.com/i/status/1772407948481892396

Ich habe versucht, ein Test-Account zum Erzeugen von eigenen Clips anzulegen und wurde vertröstet. Die Firma sei so erfolgreich, dass das System gerade kaputt sei und erst neue (echte?) Menschen anheuern müsse, um der Nachfrage Herr zu werden.


Über eine neue Art von Identitätsdiebstahl berichtet dagegen die Washington Post

https://www.washingtonpost.com/technology/2024/03/28/ai-women-clone-ads/

So werden wohl immer häufiger auch unberühmte Menschen (im Gegensatz zur neulich berichteten Bratpfannen-Abzocke mit einer Pseudo-Taylor-Swift) plötzlich zu KI-generierten Werbefiguren. Dann schwärmen sie plötzlich beispielsweise von potenzsteigernden Präparaten – dank KI auch gerne perfekt in Fremdsprachen, die sie eigentlich gar nicht beherrschen.


Bis zum 10. Mai kann man sich noch beim ersten „Miss AI“ Wettbewerb bewerben. Dies Schönheitskonkurrenz akzeptiert ausschließlich KI-generierte Bilder von schönen Frauen.

Es winken Preisgelder in einer Gesamthöhe von 20.000 Dollar. Es wäre interessant herauszufinden, was passiert, wenn sich herausstellen sollte, dass das Siegerbild heimlich als reales Foto hergestellt wurde…


Ganz lesenswert finde ich diesen Einwurf von Kunstwissenschaftler und Photoshop-Guru Doc Baumann zum Thema Kennzeichnungspflicht von KI-Bildern.

https://www.docma.info/allgemein/kennzeichnung-fuer-ki-bilder

Sein Fazit: Das kann man gerne wollen, aber:

Wer betrügen will, teilt Ihnen das nicht auch noch mit. Sonst käme der Betrug ja nicht zustande. Umgekehrt: Verlassen wir uns zu fest darauf, dass KI-generierte Bilder als solche gekennzeichnet sind, weil es ja so vorgeschrieben ist, lässt unsere Vorsicht vielleicht nach und wir vertrauen darauf, dass die Abwesenheit der Kennzeichnung für Authentizität steht.“

Doc Bauman, Docma

Eine Frau in Südkorea ist nach Medienberichten auf Liebesbotschaften eines KI-gefakten Elon Musk hereingefallen und hat den Fälschern rund 50.000 Dollar überwiesen, die „Musk“ in todsicheren Investments anzulegen versprach.

https://news.koreaherald.com/common/newsprint.php?ud=20240423050561

Nun mag Musk mit seinem auch im echten Leben recht roboterhaftem Auftreten besonders leicht zu fälschen sein, aber dieses Demo-Video, das nun schon ein historisches Jahr als ist, zeigt, wohin die Reise geht:


Sorry, dass dieser Post mal wieder etwas apokalyptisch daherkommt, aber viele der Meldungen lassen gerade wenig Sonnenschein aufkommen. Hier haben die Kollegen von 404 recht gründlich untersucht, wie explosionsartig sich inzwischen KI-Spam auf Facebook verbreitet.

https://www.404media.co/email/24eb6cea-6fa6-4b98-a2d2-8c4ba33d6c04/

Auf merkwürdige virale KI-Phänomene wie „Shrimp Jesus“ trifft man als langjähriger Nutzer mit algorithmisch gefestigten Vorlieben ja eher sporadisch, aber wenn einen das Empfehlungssystem erstmal zu fassen hat, wimmelt es offenbar nur so von KI-generierten Tipps zum Bau von Terrassen oder Spendenaufrufen mit verhungernden KI-Kindern oder beinamputierten Jesussen.

Quelle: Facebook / 404 media

Der Autor Jason Koebler stellt verblüfft fest, dass es neben Bots, die solche Post per virtueller Interaktion boosten, auch viele Realmenschen gibt, die mit abstrusen Posts interagieren und denen so zu weiterer Reichweite verhelfen. Er hat versucht, viele solcher Nutzer zu fragen, ob ihnen das nicht klar sei, und bekam häufig die Antwort, das fänden sie nicht so wichtig.

Das düstere Fazit und Überschrift dieser sicherlich nicht wissenschaftlich-repräsentativen Erhebung:

Facebook is the zombie internet, where a mix of bots, humans, and accounts that were once humans but aren’t anymore interact to form a disastrous website where there is little social connection at all.

Jason Koebler, 404 Media

Bis demnächst

Jürgen